Die ersten zwei Monate im neuen Job

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Ihr habt es ja schon mitbekommen, die Situation ist nicht ganz so entspannt wie erwartet. Im Grunde genommen leben wir im Moment von der Hoffnung und dem oft beschworenen „Guten Glauben“. Eigentlich sollte hier ein von Grund auf positiv verfasster Bericht stehen, weil es mir eigentlich auch so geht. Aber eben nur eigentlich …

Aber der Reihe nach.
Das Jahr 2016 fing für mich überraschend gut an. So wurde das größte Problem mit dem Arbeitsvertrag zum 7. 1. bei der MLD sensationell behoben. Nach dem ersten kleinen Gehalt, es war tatsächlich noch dreistellig (wenn auch nur um wenige Cent) da einige Tage vom Monat fehlten und die Nachtzuschläge ja erst mit einem Monat Verzögerung berechnet werden. Außerdem wurde der Steuersatz auf das volle Monatsgehalt berechnet, nicht auf das tatsächliche, so waren die Abzüge auch noch ein wenig höher als erwartet. Aber alles in allem halbwegs im Plan. Für den Februar gab es dann die für mich persönlich höchste Gehaltsabrechnung, die ich bisher in den Händen halten konnte. Fairerweise muss man sagen, seit Einführung des Euro. Aber auch wenn es jetzt nicht die Welt ist, leuchtende Augen hatte ich schon.
Ich muss noch viel zurückbezahlen. Aber auf der Grundlage ist das alles machbar.

Leider blieb es bisher nur bei der Abrechnung für den Monat, wovon ich mir nicht viel kaufen kann. Und schon gar nicht meine absolut nachvollziehbar völlig entnervten Vermieter befriedigen. Wäre ich negativ eingestellt, würde ich behaupten, meine neues Leben fängt da an, wo das alte aufgehört hat.
Stattdessen habe ich heute einem alten Freund und dem Vermittler dieser Stelle erklärt, dass ich mir heute selber nicht mehr erklären kann, wie ich in diese aussichtslose Abwärtsspirale geraten konnte. Natürlich hat mich dieser unerwartete neuerliche Schock getroffen. Mein Vermieter hat mir erst vor wenigen Tagen erklärt, dass er keine weiteren Zahlungsverzögerungen mehr duldet. Und ich versprach: „Ab dem nächsten Ersten ist das endgültig erledigt.“ Ehrlicherweise muss ich zugeben, mein Gedankengang war schon „… außer mein Arbeitgeber kann nicht mehr zahlen.“ Die Gerüchteküche sprach ja Bände. Aber das dieser Fall tatsächlich eintreffen würde? Nein. Soviel Pech kann man ja nicht haben. 🙂 Kann man. Und? Geht trotzdem weiter!

Wie es mit der Anstellung weiter geht? Auf Facebook schon kurz angesprochen: das Amt übernimmt Insolvenzgeld in Höhe des vollen Gehaltes mit allen Zulagen für drei Monate. In unserem Falle übernimmt eine Bank alle Ansprüche, zahlt uns umgehend unser Gehalt und verrechnet das später mit dem Arbeitsamt. Sorry, der Bundesagentur für Arbeit. Das spart auf jeden Fall eine Menge Zeit. (Ich weiß das wohl besser, als die meisten anderen… ^^) Bis zum 30. April sind wir also im grünen Bereich. Zumal Großkunden nicht abspringen und wir uns trotz allem am Rande der Leistungsfähigkeit befinden. Wir könnten uns im Augenblick nur noch selber ein Bein stellen, wenn nämlich zu viele Kollegen plötzlich abspringen. Wenn der Betrieb nicht mehr läuft, weil es sich irgendwann nicht mehr auffangen lässt. Was zur Folge hat, das wichtige Aufträge in Zukunft ausbleiben. Aber ich habe auch in der Richtung ein gutes Gefühl. Über die Fahrer könnte man ein kleines Buch schreiben. 🙂 Ist nicht bös´ gemeint. Die sind alle total nett und so wie jeder Mensch haben auch die ihre Ecken und Kanten. Dummerweise geht das größtenteils auf das Zeitkonto unserer Lageristen. Aber okay – ist ja unser Job. Auch wenn wir manchmal einfach nur zuhören müssen. Bekannterweise eine meiner Stärken. Trotzdem, mit einem Grinsen im Gesicht muss ich mal raushauen: zwischen 3.30 Uhr und 6.30 Uhr morgens wäre ich lieber alleiniger Betreuer einer vierzigköpfigen KiTa-Gruppe… Zumindest ab und zu.
Im Augenblick stehen eh andere Dinge im Vordergrund. Den Job behalten zum Beispiel. Was damit anfängt, den laufenden Betrieb bestmöglich weiterzuführen. Das Netzwerk so eines Logistikunternehmens weiter mit Leben zu erfüllen. Vielleicht noch eine Schippe drauf packen. Den Kunden zeigen, welche Zuverlässigkeit wir bieten, nicht der Firmenname. Große Worte für mich Logistikembryo. Aber das System, was dahinter steckt, scheine ich langsam zu durchschauen. Eine deutschlandweite Gruppe Irrer steckt 28 Stunden am Tag ihren ganzen Einsatz darein, uns mit den Dingen versorgen, die wir kaufen. Und die 28 Stunden sind kein Tippfehler – und wenn der Tag nicht reicht, kommt noch die Nacht dazu!
Ganz ehrlich: ich habe aller tiefsten Respekt vor den Menschen in der Dispo. Den Job würde ich keine acht Stunden durchhalten. Nach spätestens vier Stunden würde einfach meine Birne explodieren. Niemals! Nein! Die Mädels, so unterschiedlich sie sein mögen, sind allesamt positiv verrückt. Anders kann man so einen Job nicht machen. Ich wünsche ihnen, dass sie immer den nötigen Ausgleich finden – das Gegenteil ist mir ja bestens bekannt.
Um es mit den Worten eines ITlers zu sagen: die Speicherkapazität und besonders die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung nur im geistigen Bereich dieser Menschen tendiert gegen unendlich.

Die Leistung uns Logistiker soll dies natürlich nicht im Geringsten schmälern.
Ich habe auch schon in anderen Lagern gearbeitet. Z. B. bei Mercedes. Ich glaube, die beliefern komplett Nordeuropa.
Da kommt eine Wanne mit einem Teil zwischen 100g und 150kg mit einer Nummer drauf und man packt das dann halt in die Gitterbox mit der gleichen Nummer drauf. Demenztraining für Fortgeschrittene.
Mit Nummern kann man auch viel, viel anspruchsvollere Dinge anstellen. Ich sehe es Tag für Tag! Im Lager klingelt zwar nicht alle zwei Minuten das Telefon, dafür sollte man schon verschiedene Datenbanken ständig abrufbereit haben, um sich Wege und Zeiten und zweifache oder dreifache Arbeiten zu ersparen. Dazu gehören geistige Archive wie „Städtenamen“, „Destinationen“ (Touren Fernverkehr), „Touren“ (Touren Nahverkehr), „Ausland“ (Touren, die fast jeder immer nachschauen muss), „WK“ (Wechselkoffer mit dessen Nummer, Hängestanden, beladenen Paletten, behangenen Standen und natürlich dem wichtigsten, der Plombennummer), „Scanner“ (Diverse Einstellungen, Eingaben, Reihenfolgen und besondere Eingaben für die elektronische Datenverarbeitung), „PC“, „Papiere“, „Lagerorte“, … Dazu eine Menge Übersicht und vorzugsweise besonders viel weise Voraussicht. Natürlich unter vollständiger Abrufbereitschaft des kompletten Muskel-Apparates.
Nicht ohne Grund bezeichne ich meine neue Anstellung gerne als das härteste aber bestbezahlteste Workout überhaupt.
Andere müssen dafür sogar Geld ausgeben!
Diese Woche bin ich auf insgesamt 53 Stunden gekommen.
Montag und Dienstag je 10, Mittwoch bis Freitag je 11.
Dazu kann man noch jeweils eine Stunde Hin- und Rückfahrt von Montag bis Donnerstag mit den Öffis hinzurechnen. Freitag hatte ich entspannterweise das Auto zur Verfügung.
Diese Zeit hängt natürlich auch ein wenig mit meiner fehlenden Routine im Reich des Chaos´ zu tun. Das kann man nicht bestreiten. Was mir auch ein um Rat gefragter Kollege heute Abend bestätigte, ist aber, dass man mich definitiv auch nicht mit Leuten vergleichen darf, die dass schon sechs, acht Monate oder länger machen. Das sei einfach die Erfahrung, die man jeden Tag sammelt.
Ich für meinen Teil muss auch sagen, dass jeder Tag dieser Woche besser lief. Ist ja nicht meine erste Tagschichtwoche, aber zuletzt hatte ich das alles deutlich besser im Griff. Außer es kommt noch mal so eine Ladung von 3000 Hängeteilen…
Die letzten fünf Tage waren jedoch eine echte nervliche Belastungsprobe. Und auch wenn es manchmal hart an der Grenze war, habe ich mich meiner Meinung nach verbessert. Sagen wir mal: die Effizienz meiner Arbeit erhöht sich stetig. 🙂 Man darf einfach keine Sekunde ungenutzt verstreichen lassen, dann bleibt am Ende mehr übrig. Dazu gehört aber auch aus unzähligen Aufklebern den richtigen ausfindig zu machen und die fehlenden drei Bügel bei 365 Teilen schnellstmöglich zu finden. Das bringt einfach nur das Training. Genauso wie Auf- und Abhängen in den Koffern. Palettenschieben ist ja nun nicht das Problem…
Und weil es mir Spaß macht und ich das auch einfach richtig finde, um den Nachfolgenden nicht noch mehr Arbeit zu hinterlassen, habe ich auch noch meine Hinterlassenschaften des Tages weggeräumt in der Halle. Mein „Eingangs-Wägelchen“ für Montag aufgeräumt, Ersatzrollen für den Label-Drucker reingelegt, alle Akkus in die Ladestationen gepackt usw.
Und bin dann mit einem guten Gefühl nach Hause gefahren. Aufräumen gehört doch irgendwie dazu. Auf die paar Minuten kommt´s dann auch nicht mehr drauf an.
Nichts desto trotz bin ich nach dieser Woche körperlich völlig am Ende. Leider reicht mein Akku nicht – aber geschätzte zwanzig Kilometer täglich treffen es wohl ganz gut. Obwohl ich mich jetzt seit zwei Monaten einarbeite – selten haben Gelenke und Sehnen und Muskeln so geschmerzt wie heute. Was ich insbesondere merke, jetzt, wo ich schon zwei Stunden an diesem Text schreibe und wir die Vier-Uhr-Marke überschritten haben.

Ich glaube, ich werde jetzt erst einmal schlafen gehen!